Frauengefängnis Obernkirchen Fotos 2019

Das ehemalige Frauengefängnis in Obernkirchen – eine historische Architektur, die viele Fragen offen lässt – Fotos: Namira McLeod

Seit rund 50 Jahren steht das Frauengefängnis in Obernkirchen leer und rottet vor sich hin. Ein Blick in den ehemaligen Zentralakt lässt nur erahnen, unter welchem Umständen die Insassinnen damals ihre Strafe absitzen mussten. Ich habe 55 Fotos vom „Tag des offenen Denkmals“ 2019 mitgebracht – die das historische Gebäude von außen und innen zeigen.

Über das 1911 errichtete Königlich-Preußische Amtsgericht an der Rathe­naustraße in Obernkirchen, in dem nach dem Auszug aus der Langen Straße (1885-1913) von 1913 bis zum 1. Januar 1972 das „Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (FGG, 1900-2009) herrschte, wird viel erzählt. Auch darüber, dass die Justizbehörde das Gebäude anfangs als Sitz des Amtsrichters erwarb und direkt nach dem Auszug des Gerichts 1972 die Polizeistation einzog. Außerdem wird gern der noch vorhandene Gerichtssaal mit Holzvertäfelungen genannt. Es wird sogar über drei Gefängniszellen im Kellergeschoss des niedersächsischen Amtsgerichts im Kreis Schaumburg berichtet. Dann heißt es nur noch: Angegliedert war ein Trakt mit Frauengefängnis und Gefängnishof. Die Historie des Gefängnisbaus oder gar Geschichten der Insassinnen sucht man vergeblich.

Nun mag es vermultich daran liegen, dass der Gefängnistrakt im Ersten (1914-1918) und Zweiten Weltkrieg (1939-1945) in Betrieb war – Zeiten, über die man in Deutschland nicht gerne spricht. Zumal die Kleinstadt seit 1823 auch über eine jüdische Gemeinde verfügte, die sich im Verlauf der Zerstörung ihres Eigentums zwischen 1933 und der Novemberpogromnacht 1938 auf zehn Personen verkleinerte. Fakt ist: Das Gefängnis wurde zum gleichen Zeitpunkt wie das Amtsgericht errichtet. Aber warum ein – für die damaligen Verhältnisse in dieser Kleinstadt – so großes Frauen-Gefängnis in Obernkirchen? Galt das Gefängnis der „Zucht und Ordnung“ der Frauen? Schließlich wurde damals im anliegenden Amtsgericht vorwiegend in Vormundschafts-, Familien-, Betreuungs- und Unterbringungssachen Recht gesprochen. Der architektonisch interessante Backsteinbau mit Spitzdach, Gauben und verrosteten Fenstergittern samt Innenleben lässt viele Fragen offen.

Die nette Dame, die am 8. September letzten Jahres die kleine Besuchergruppe durch die Gefängnisräume geleitete, konnte leider auch nichts zur Geschichte dieses bedeutungsvollen Gebäudes beitragen. Lediglich finden sich Einträge in alten Blättern (z.B. im Zentralblatt der Bauverwaltung von 1912, Band 32, Seite 48), dass die Errichtung von Amtsgericht und Gefängnis zusammen rund 105.000 Mark gekostet haben soll.

Aber zum ersten Mal in meinem Leben betrat ich ein Gefängnis, noch dazu ein so altes, dunkles, ja fast gruseliges Gefängnis für Frauen. Ich fand nur eine einzige, offen einsehbare Toilette und eine Badewanne für alle Insassinnen vor, einen Waschtrog, einen alten Heizofen, einen Kohlenkeller, Abdrücke von Wandverschraubungen, die zu Klappbetten gehörten, und in einer Gefängniszelle Wand-Einritzungen für 45 Tage, die eine Insassin offenbar in dieser grauen Zelle (von insgesamt circa 6 Zellen) verbrachte. Der kleine Gefängnishof ist von hohen dicken Mauern umgeben, die lediglich einen Blick in den Himmel gewährleisteten.

Das Besondere an dem Gefängnis ist jedoch der Übergang. Im Erdgeschoss befindet sich links vom Gefängnis ein eigenständiges längliches, von außen fast dörflich-idyllisch erscheinendes Gebäude – die ehemalige Justizwachtmeister-Wohnung, die gleichzeitig das Amtsgericht mit dem Frauengefängnis verbindet. Auf beiden Seiten finden sich Türen. So konnten die verurteilten Frauen – vor dem Straßenvolk verborgen – vom Gerichtssaal direkt ins Gefängnis geführt werden. Ein Lageplan, angebracht an einer Flurwand, gibt eine Übersicht.

Im anliegenden Amtsgericht angekommen, zeigt ein anderer Lageplan die Anordnung der Kellergewölbe mit den drei Gefängniszellen. Ein Pissoir und eine Dusche für alle männlichen Insassen sollte offenbar genügen. Außerdem wurden hier auf Holzregalen Akten gelagert, auf denen interessanterweise ein alter Polizeireport vom 13. August 2009 lag, in dem es hieß: „Der Beschuldigte zerstach mit mehreren Stichen mittels eines augenscheinlich 25-30 cm langen Messers beide Reifen eines (…) entwendeten Fahrrades. Das Fahrrad war an einem Zaun an einem Schulhof der Förderschule in Obernkirchen abgestellt.“ Hierbei handelte es sich um eine Anzeige gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung eines Damenfahrrades einer im September 1949 geborenen Geschädigten.

Doch am 15. Mai 2017 zog die Polizei aus dem Alten Amtsgericht aus. Seitdem fanden ab und an kleine Konzerte im ehemaligen Gerichtssaal statt beziehungsweise probte dort eine Band. Wie es weitergeht mit den leerstehenden Gebäuden, steht offensichtlich noch in den Sternen.

Zur besseren Übersicht ist meine Bildergalerie genau in der Reihenfolge sortiert, wie ich den Gesamtkomplex besichtigt habe: durch den Haupteingang des Gefängnisses in die oberste Etage zu den ersten Zellen, zurück in die erste Etage, ins Erdgeschoss bis zur Wohnung des Justizwachtmeisters, dann über den Gefängnishof zum Amtsgericht von hinten, dort zuerst in den Gewölbekeller mit den Gefängniszellen, nach oben in den Gerichtssaal, dann nach unten über das schöne Treppenhaus hinaus durch den Haupteingang zur Rathe­naustraße, von wo aus ich das Amtsgericht von vorne abgelichtet habe.

(Klicken Sie einfach auf das erste Bild von links, dann öffnet sich die Galerie. Die Handhabung versteht sich von selbst.)

Gefallen Ihnen meine Fotos aus Obernkirchen? Dann erzählen Sie es doch weiter!