Realsatire: Fotobearbeitung im Homeoffice

Fotobearbeitung im Homeoffice – echte Maloche! Symbolfoto: Mylene2401/pixabay CC0 und Namira McLeod

Homeoffice ist total angesagt. Mehr als 10 Millionen Menschen tun es schon. Viele Experten sind sich einig: Homeoffice macht produktiver und zufriedener*, bietet Steuervorteile und leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Ick sage: Experten, wat wissen die schon. Arbeiten im Homeoffice ist Schwerstarbeit! Haben Sie schon mal Fotobearbeitung gemacht? Zuhause, in den eigenen vier Wänden, neudeutsch: „Home Office“? Nicht? Dann kläre ich Sie mal auf.

Fotobearbeitung im Homeoffice ist echte Maloche! Oh, oh, oh, werden Sie jetzt sagen: Was kann denn daran so schwer sein? Bilder auf’n Rechner ziehen, Photoshopsui an und fertig ist die Sache. Jaaa, nee, is klar, ne?! Ick werd‘ Ihnen mal erklären, wat alles dazujehört.

Vorab: Sorry für mein Berlinerisch, bin nun mal eene echte (West-) Berliner Pflanze – mit Spree-Wasser getauft. Kann ick nichts für, müssen Sie sich bei meinen Eltern beschweren. Eigentlich ist das bei mir so’n Mischmasch aus Berlinerisch und Hochdeutsch – weil ich halt Schreiberling bin – wurde mir so in die Wiege gelegt. Von wem eigentlich? Kenne niemanden aus meiner Patchwork-Familie, der so ist wie ich. Naja, egal. Nachdem dit jeklärt is – los geht’s!

Nach so ’ner janz spontanen (!?) Fototour – also Sie wissen schon, Kamera-Equipment einpacken – jaaanz wichtig: Vorher Akku aufladen, am besten vollgeladenen Ersatzakku mitnehmen, unter 500 Bilder in eener Nacht jeht da ja nüscht, man muss ja schließlich ’ne Auswahl haben – wer nachts unterwegs ist, Stativ nicht vergessen, sonst gibt’s verwackelte Bilder, und dat ist die Hölle für Fotografen, sozusagen das unausgesprochene „Schon wieder so ein Loser, ick werd‘ dir mal zeigen, wie’s richtig geht – BAMM, hier sind meine Fotos, geschossen mit ’ner CANUN XXXL Supernova 5000 für High Definition Fullaround 360 Grad 4D REALOPTIK“ – naja, und die richtige Kameratasche gehört selbstverständlich auch dazu, man muss ja seine zahlreichen Filter – so für den romantischen Sonnenuntergang, und falls sich der Mond mal von der anderen Seite zeigt oder zufällig ein 5 Meter großer Grizzly den Weg kreuzt, an der Dorfstraße mitten im Berufsverkehr, der gerade aus’m Zoo ausgebrochen ist und so weiter, Sie wissen schon, wie im ganz normalen Alltag – und verschieden großen, langen Objektive unterkriegen – dat janz kurze, superteure Tilt-Shift-Objektiv für gerade Linien bei Architekturaufnahmen und das jaaaaanz lange weiße Megaobjektiv, womit man auch die Ameisen zwei Orte weiter in dem Garten von den Schulzes beobachten kann – HEY, könnte ja sein, dass das seltene Riesenwüstenameisen aus Neuguinea sind, die bei Überpopulation zur Gefahr für die ganze Weltbevölkerung werden können, JAAAAA, mit denen ist nicht zu spaßen, die verspeisen am liebsten Möpse! Nee, nicht dat, wat Sie jetzt denken! Also diese Schweinehunde, die von den Snobs und Möchtegern-Neureichen, also Nachkömmlingen, eben Erben, die dat Geld von ihren verstorbenen Vorfahren haben, die dafür jahrzehntelang Kohlen unter Tage geschaufelt haben – dat haben diese Snobs geschaufelt und geben damit an, wo sie nur können. Also den ihre Hündchen, die die in der Handtasche mit sich rumtragen oder damit auf der Rheinpromenade stolzieren laufen – gibt ja auch Promenadenmischungen, aber dat hören die nicht so gern, hi, hi.

Wo war ick? Ach ja. Homeoffice und Fotobearbeitung. Also nachdem Sie Ihre Fototour beendet haben – natürlich nicht direkt vor der Haustür, da gibt’s ja nichts zu entdecken außer überquellende Mülltonnen, langweilige Hecken und nervige Nachbarinnen, mit ihren Möpsen, die einem ins Gespräch verwickeln wollen, was ick da für eine Kamera habe und ob ick nich mal Tipps geben könnte, welche für ihren Sohn geeignet wäre, der will ja gerade mit Fotografieren anfangen – also nach Ihrer Fototour sind Sie Zuhause angekommen, um in Heimarbeit, also im „Homeoffice“ wie es im Neudeutschen heißt, das mitten im Wohnzimmer oder am Küchentisch liegen kann, diese modernen Laptops und Notebooks und Tablets lassen sich ja überall hinstellen, kann man sogar im Urlaub damit arbeiten – im Urlaub arbeiten? Geht’s noch? Wo komm‘ wir denn da hin? Im Urlaub arbeiten! Nich mit mir! – aber Fotografieren im Urlaub, dat ist geil, hat man ’ne Erinnerung für ewig, wenn die Festplatte solange hält, wo die Millionen Erinnerungen aus dem Leben gespeichert sind, die Babyfotos, Hochzeitsfotos, Möpse-Fotos, Fotos vom Luxusschlitten, noch mehr Babyfotos – warum gibt’s eigentlich keine Scheidungsfotos? Naja, ist wohl keine gute Erinnerung. Oder doch? Für die eine oder den anderen bestimmt.

Wo war ick? Ach ja. Homeoffice und Fotobearbeitung. Also wenn Sie an Ihrem Schreibtisch Zuhause, also im Homeoffice, eben am Küchentisch oder auf’m Dachboden in der gemütlich eingerichteten Büroecke oder im Keller, ach nee, da gibt’s keen Internet, WLAN reicht nur bis zum Klo – praktisch fürs Smartphone, wenn man heimlich an die Geliebte schreiben will – also wenn Sie irgendwo in der Hütte, im Haus, in der Wohnung oder sonst einer Scheune Platz für’n Laptop, Notebook, Tablet oder sogar einen Personal Computer (abgekürzt: PC) so richtig mit extra Bildschirm, Tastatur, Mouse, Drucker, Scanner und Shredder – jaaanz wichtig, wer wichtige Dokumente, die nicht jeder sehen soll, spurlos verschwinden lassen will, muss einen zuverlässigen Shredder haben, der dat Papier in janz kleene Schnipsel häckselt, sonst könnte man ja die Dokumente wieder zusammenkleben, also FBI, CIA, DSGVO, wer auch immer im nächsten Moment die Tür eintreten könnte. Und aufpassen! Die Fotos ja nicht ausdrucken! So schnell kann man die ja nicht shreddern, wie der Geheimdienst die in die Hände kriegen kann. Also wer so’n richtiges Bürozimmer hat, Homeoffice eben, am besten abschließbar, auch alle Schränke – janz wichtig! Da steht die DSGVO-Polizei drauf. Denn wer weiß, in welche verbrecherischen Hände die wichtigen Dokumente gelangen könnten – also die gaaanz wichtigen Dokumente, die Zeugnisse aus der Schulzeit – obwohl, die können die Einbrecher meinetwegen gerne mitnehmen. Oder wollen Sie allen Ernstes die noch Ihren Kindern oder Enkeln zeigen? Ich nicht! Könnte echt peinlich werden! Oder noch schlimmer: Die sind so gut, dass Sie als Streber beschimpft werden. Dat wollen wir doch alle nicht, oder?!

Wo war ick? Ach ja. Fotobearbeitung. Also Fotobearbeitung ist echt ’ne Hausnummer, echt Maloche! Gibt’s eigentlich ’nen neudeutschen Begriff für Fotobearbeitung? Auf Englisch übersetzt ja „Photo Editing“. Hört sich langweilig an. Nee, also einfach Fotobearbeitung. Kann auch jeder wat mit anfangen. So, jetzt wird’s ernst. Also erst mal Kamera auspacken – aus der hochwertigen, mit mindestens 30 Kammern bestückten Fototasche, die von außen natürlich nicht nach Fototasche aussieht, Frau will ja schließlich „trendy“ rumlaufen, auch als Fotografin, Foto-Rucksäcke sind übrigens out, Männer! Sieht scheiße aus, wie so’n Globetrotter, Weltenbummler, der gerade aus dem tiefsten Höhlenloch Georgiens gekrochen ist, so riecht er auch. Da braucht Mann natürlich einen Rucksack, zum Überleben. Aber nicht, wenn er als Pressefotograf für die Lokalzeitung gerade das größte dörfliche Liveevent fotografiert, die Rentnercombo, die sich zum X-ten Mal auf der Bühne an „Smoke On The Water“ von Deep Purple versucht – ein Song von 1972 !!! Klingelt’s? Jut, dat hätten wir auch geklärt.

Zurück zur Fotobearbeitung, ick fass mich kurz. Ehrlich. Kamera ist ausgepackt. Erstes Problem: Wo stöpsel ich die an? Muss ja mit USB verbunden werden. Kabel ist weg, einfach verschwunden, oh neeee! Der Mops. Hab’s doch gewusst, ich hab’s ja tausendmal gesagt, aber mein Mann hört ja nicht auf mich. Alles, was nur ansatzweise wie Kabel aussieht, schnappt sich der blöde Köter. Scheiße, wat mach ick denn jetzt? Bluetooth. Meine Kamera hat Bluetooth.

„Jochen? Hast du ’nen Bluetooth-Stick? Du hast bestimmt meinen.“

Jochen: „Nö, ich hab den nicht.“

„Hast du bestimmt, such doch mal. Ick brauch den jetzt für meine Kamera.“

Jochen: „Hat das Zeit bis nachher?“

„Nee, ick brauch den jetzt!“

Jochen: „Hast du kein Kabel?“

„Witzbold. Wenn ick dat hätte, würde ich dich nicht nach dem Bluetooth-Stick fragen.“ Boh ey, Männer.

Jochen: „Brauchst du den jetzt sofort?“

„Jaahaaa.“

Jochen: „Warte mal, ich suche.“

Okay, ick kann warten …

Eine halbe Stunde später.

„Jochen, hast den Stick jetzt?“

Jochen: „Hab ihn gefunden.“

„Und? Kann ick den jetzt haben?“

Jochen: „Warte, ich bringe ihn dir. Hier. Wenn du mich nicht hättest.“

„Wat wäre dann?“

Jochen: „Ohne mich würdest du völlig unklar kommen.“

„Oh Schatzi.“ Knuddel, umarm, Küsschen.

So. Bluetooth-Stick in den Computer gesteckt. Und? Warum passiert jetzt nichts? Wat is denn dat für ’ne Scheiße?! <grummel>

„Jochen, der erkennt den nicht.“

Jochen: „Wieso erkennt der den nicht?“

„Weiß ick doch nicht. Mein Computer erkennt den Stick nicht. Wie soll ich denn jetzt die Bilder runterziehen?“

Jochen: „Bei mir funzt es. Soll ich das bei mir machen?“

„Nee. Dat soll doch bei mir funktionieren.“

Jochen: „Sag Bescheid, wenn ich es bei mir machen soll.“

Eine halbe Stunde später.

„Kannst du das bei dir machen?“

Jochen: „Hab ich doch gleich gesagt. Gib mal her, ich mach das an meinem Computer.“

Zwei Minuten später.

Jochen: „Hast du einen Stick?“

„Wat für’n Stick? Hast DU doch.“

Jochen: „Man. USB-Stick, damit ich die Bilder draufziehen kann.“

„Ach so. Klar. Hier.“

Jochen: „Wenn du mich nicht hättest. Hier sind deine Bilder.“

„Dankeschön.“ Knuddel, umarm, Küsschen. Bilder vom USB-Stick auf den Rechner übertragen.

Und? Haben Sie bemerkt, wie viel Zeit vergangen ist von dem Zeitpunkt an, wo ich im Homeoffice war, bis ich die Bilder auf den Computer ziehen konnte? RICHTIG! Über eine Stunde! Von der Strapaze der stundenlangen Fototour im Nirgendwo mal abgesehen. Und jetzt fängt die Maloche erst richtig an! Alle 600 Fotos müssen am Bildschirm (für die Fachleute: Display) gesichtet werden – einzeln, Bild für Bild, versteht sich – und aussortiert werden. Die guten ins Kröpfchen, die schlechten ins Töpfchen. Kennen Sie noch, oder? Aus Aschenputtel. So fühlte ich mich auch, wie die Stieftochter aus dem Märchen. Nur, dass ich am Ende nicht zur reichen Prinzessin wurde, die vom schönen Prinzen in sein Schloss entführt wurde. Stattdessen lebe ich in einer Drei-Zimmer-Wohnung am Rande einer Innenstadt, die keine Sau kennt, Minden/Westfalen – mit einer Katze, die einem die Haare vom Kopf frisst und tote Mäuse ins Wohnzimmer schleppt, und einem sagen wir älteren Mann, der sich – Gott sei Dank! – inbrünstig dagegen sträubt, „Smoke On The Water“ von Deep Purple auf der Bühne zu spielen. Ach ja, und dem Mops von Jochen.

Aber ich habe ja versprochen, mich kurz zu halten. Jetzt aber. Ehrlich. Es dauerte sage und schreibe drei Stunden, bis ich alle Fotos gesichtet und aussortiert habe. Übrig geblieben sind 20 Bilder – ja, ich weiß, ist erbärmlich, aber wat soll ick machen, wenn die andern nichts geworden sind? Falsche ISO-Einstellung. Außerdem war schlechtes Wetter und der Boden hat vibriert. Erdbeben im Anmarsch? Ich hoffe nicht. Wer weiß, gibt’s ja auch in Deutschland. Habe neulich erst eine Doku im TV gesehen, dass im Rheinland öfters leichte Beben vorkommen. Merkt man erst, wenn sich schmale Risse am Haus zeigen. Ick muss mal im Internet gucken, wo das genau war. Aber erst mal die Kamera ausschalten und vorsichtig in der Tasche verstauen, das gute Stück soll ja nicht verstauben.

Jochen: „Wann gibt’s was zu essen?“

„Wie Essen? Ick wollte mich gerade an die Bilder machen.“

Jochen: „Du kannst nachher noch mit deinen Bildern spielen.“

„Ick spiele nicht, das ist meine Arbeit!“

Jochen: „Ja, ja. Du bleibst doch sowieso bis nach Mitternacht auf.“

„Ja, weil du mich zwischendurch immer beim Arbeiten störst.“

Jochen: „Was wollen wir heute essen?“

„Wie jetzt? Ich dachte, du wolltest heute Essen machen? Dann musst du doch wissen, was es heute zu Essen gibt.“

Jochen: „Wenn du mich nicht hättest. Komm mal in die Küche.“

„Gleich. Muss nur noch alles abspeichern.“

Jochen: „JETZT. Sonst habe ich keine Lust mehr.“

„Okay. Was soll ich helfen?“

Jochen: „Du brauchst mir nichts zu helfen. Heute gibt’s Spaghetti mit Soße und Tomaten.“

„Aber du wolltest doch, dass ich in die Küche komme.“

Jochen: „Ja, damit du siehst, was es heute zu Essen gibt. Aber jetzt geh in dein Büro und spiel mit deinen Bildern.“

„Ich spiele nicht. Ich arbeite und verdiene damit Geld.“ Jedenfalls versuche ich es.

Im Bürozimmer zurück kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Außerdem habe ich Hunger bekommen, es riecht nach Essen. Ich verschiebe die Arbeit – mal wieder – auf später. Erst mal was essen. Dann läuft mein Lieblingskrimi im Fernsehen. Den gucke ich noch, dann mache ich mich wieder an die Arbeit.

Drei Stunden später – nach den vier Krimi-Folgen. Es ist Punkt Mitternacht. Der Computer ist noch an. In der Zwischenzeit sind auch die Kamera-Akkus und das Smartphone wieder aufgeladen – für die Klimaaktivisten: über USB am Computer versteht sich, der über 100 Prozent Ökostrom läuft, nicht über Steckdose, wäre ja zusätzlicher Stromverbrauch. Noch aufs Klo – nee, nee, ohne Smartphone! *grins*. Jetzt kann ich endlich die Bilder bearbeiten, sind ja nur 20. Mit drei verschiedenen gratis Fotobearbeitungsprogrammen – jedes hat unterschiedliche Einstellungsmöglichkeiten, Farbton-Ausgaben, Schnittangebote, Sie kennen das ja – bekommt man letztlich super Ergebnisse. Fast wie ein Profi. Eine CANUN XXXL Supernova 5000 für High Definition Fullaround 360 Grad 4D REALOPTIK kann ich mir ja nicht leisten, auch nicht das neueste Photoshopsui oder andere teure Programme. Bin halt keene reiche Prinzessin und gehe erst um 2 Uhr morgens ins Bett.

Aber eens weiß ick: Fotobearbeitung im Homeoffice ist echte Maloche! Wer das Gegenteil behauptet, lügt. Und: „Verrückt sind nur die anderen!“ 😉

Ist 2 Uhr morgens. Gute Nacht!

 

*Quelle: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Mehr-als-10-Millionen-arbeiten-ausschliesslich-im-Homeoffice

P.S. (für die janz Schlauen): Jochen ist ein erfundener Charakterkopf. Ein Kameramodell „CANUN XXXL Supernova 5000 für High Definition Fullaround 360 Grad 4D REALOPTIK“ existiert nicht, genauso wenig wie das Programm „Photoshopsui“. Ansonsten ist alles wahr. Echt!